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Interview zum 70. Geburtstag


Sendedatum: März 1974
Rundfunkanstalt: Südwestfunk Mainz
Moderator: Wolf-Eberhard von Lewinski
Texterstellung nach den Tonaufnahmen: Benno Morsey

Im Zuge meiner CD-Edition mit Hermann Schroeder als Komponist und Dirigent stieß ich auf private Tonbandmitschnitte mit zwei Interviews, die der Südwestfunk im Jahre 1964 und 1974 aus Anlass des 60. und 70. Geburtstages mit Hermann Schroeder gemacht hat. Sie stellen wertvolle Dokumente dar, weil sie nicht nur die Stimme des Komponisten, sondern auch viele interessante und grundsätzliche Aussagen zu seinem Musikverständnis bewahren.
Die vorliegende Übertragung der Tondokumente in Textform entspricht bis auf geringe Abweichungen den Originalen. Der besseren Lesbarkeit und vor allem der besseren inhaltlichen Verständlichkeit halber wurden die angedeuteten Mängel behutsam eliminiert bzw. korrigiert. Wenn dennoch an einigen Stellen Unklarheiten verbleiben, so liegt das an den Formulierungen der Interviewpartner selbst - immerhin ist das bei der komplexen Problematik verständlich. Hier etwas zu verändern, hätte aber einen größeren Eingriff bei der Textübertragung bedeutet. (Benno Morsey)


[Beginn: Musikeinspielung der "Gregorianischen Miniaturen für Orgel"]

Von diesen "Gregorianischen Miniaturen für Orgel" von Hermann Schroeder, gespielt von Rudolf Walter an der Orgel der Dreifaltigkeitskirche zu Worms, kommen wir zu Schroeders Kammermusik und in diesem Raum wieder zu der Frage des Stils. Wir haben bei Hermann Schroeder eine gewachsene Modernität auf der Basis der Tradition erkannt. Ist bei diesem kammermusikalischen Musizieren – sagen wir: bei einem Trio – Ihrer Meinung nach, Herr Schroeder, offenkundig diese Entwicklung notwendig, um noch einen Hörer anzusprechen, der eben mit einer solchen Kammermusik konfrontiert wird?

Ja, das glaube ich. Ich meine auch, daß heute selbstverständlich jeder sehr stark mit der Problematik in allen Sparten ringen muß, nicht nur die Problematik des Tonraums in sämtlichen Elementen: die Problematik des Harmonischen, des Vertikalen, die Problematik des Rhythmischen. Damit muß man sich auseinandersetzen. Die Frage ist nur, ob man diese Problematik, ehe man sie mal recht durchdacht hat, sofort in einem Werk zu Papier und dem Hörer zu Ohren bringt oder ob man nicht mit sich selbst einmal ins Gericht gehen und fragen soll, wieviel Problematik kann ich gewissermaßen hier hineinkomponieren, oder soll ich das Experiment nicht einmal untersuchen, ehe ich es in die praktische Komposition einarbeite.

Wir zitieren nun einen Teil aus dem Trio für Violine, Horn und Klavier von Hermann Schroeder mit Alfred Breit (Violine), Gustav Neudecker (Horn) und Michael Braunfels am Klavier. [es folgt: Musikeinspielung des Trios für Violine, Horn und Klavier]


Nun wollen wir wiederum zu einer orchestralen konzertanten Arbeit kommen, zum Abschluß unserer Geburtstagssendung für Hermann Schroeder, aber zunächst noch eine grundsätzliche Frage an Hermann Schroeder stellen. Herr Schroeder, glauben Sie, daß man heute als Musiker überhaupt noch eine Funktion in diesem Musikleben ausfüllen kann?

Ich glaube weder, daß man eingespannt werden soll, noch daß man Freiwild wird. Die Ganzheit des Menschen, auch des Komponisten, kommt doch eigentlich nur dann zu Tage, wenn er für etwas schreibt. Sich nicht als kleiner Beethoven empfinden und etwas komponieren und keine Rücksicht nehmen auf irgendetwas, sondern ganz praktisch für diesen oder jenen, für diesen Musiker oder für dies Ensemble oder für diesen Zweck. Diese Gebundenheit an das echte und wahrscheinlich doch immer notwendige Musizieren, glaube ich, das wird einen auch davon abhalten, daß man in die Experimente sich so weit verstrickt, daß man, wie gesagt, keinen Ausweg mehr daraus findet. Und so sehe ich auch ein Konzert: Wie Mozart seinen Leuten die Arien auf die Kehle geschrieben hat, soll man heute einem Klarinettisten oder irgendjemandem das Stück gewissermaßen auf seinen Leib, auf seine Klarinette schreiben und, ich glaube, damit haben wir das erreicht, daß die Musik sich dann hinterher auch im Musizieren auswirkt.


Wars beim Klarinettenkonzert ähnlich?

Da wars ähnlich, nicht wahr, das ist genau so gekommen, daß der Kollege Klein sagte: "Sie könnten eigentlich mal ein Klarinettenkonzert schreiben. Sie haben schon ein Flötenkonzert, ein Oboenkonzert und das fehlt eben noch." Und da bin ich drangegangen.


Dieses Klarinettenkonzert haben Sie, als eine der jüngsten Arbeiten, vor kurzer Zeit geschrieben. Ist hier eigentlich der Konzertcharakter nach dem alten "konzertanten Prinzip" nun wieder aufgelebt oder ist da eine neue Perspektive hinzugekommen?


Ja, er ist nach dem alten ausgerichtet. Also er ist insofern nicht modern – modern paßt ja sowieso bei uns in der Kunst nicht. Da steckt das Wort "Mode" drin, und mit Mode ist im Grunde keine Kunst zu machen. Es ist insofern alt, weil ich in dem klassischen Prinzip von 3 Sätzen bleibe, wobei der 1. Satz in das Dramatische geht, der 2. dem Soloinstrument die lyrische Kantilene bietet und der 3. mit rhythmischen Finessen dem Instrument den letzten Glanz verleiht. Ich sehe in einer solchen Dreisätzigkeit die beste Möglichket, eine Musik für ein Soloinstrument mit einem Orchester zu schreiben.

Und dieses Klarinettenkonzert aus dem op. 47 von Hermann Schroeder wollen wir uns nun geschlossen anhören mit Franz Klein als Solisten, dem Großen Rundfunkorchester des Südwestfunks unter Leitung des Komponisten. [es folgt: Musikeinspielung des Klarinettenkonzerts]


Interview zum 60. Geburtstag
Nachruf von J. F. Doppelbauer